Veröffentlichung

Dr. Nadja Kratz1, Prof. Dr. Jan Werner2

Das Forschungsinstitut für Anorganische Werkstoffe – Glas/Keramik (FGK) in Höhr-Grenzhausen unterstützt als hochspezialisiertes Labor kleine und mittelständische Unternehmen bei der Optimierung von Produktionsprozessen und im Qualitätsmanagement in allen Bereichen der Werkstoff- und Verfahrenstechnologie. Die Arbeitsgruppe Optokeramik und Photokatalyse entwickelt hier spezielle optische Keramiken für anspruchsvolle technologiegebiete. In diesem Text werden einige der neu entwickelten Konzepte zur Pulversynthese und maßgeschneiderte Formgebungsverfahren vorgestellt.

Hochreine Keramiken, hauptsächlich Oxide mit kubischer Kristallstruktur, können eine Transparenz erreichen, die vergleichbar ist mit der optischer Gläser und Einkristalle. In einigen Fällen verfügen Keramiken sogar über bessere Eigenschaften und bringen darüber hinaus noch die charakteristischen keramischen Eigenschaften mit, wie beispielsweise hohe mechanische Festigkeit, Oberflächenhärte und Verschleißfestigkeit, Temperaturwechselbeständigkeit und chemische Beständigkeit. Auch die keramischen Fertigungsverfahren bieten teils Vorteile für spezielle Geometrien und Anwendungen. Der Einsatz aktiver und passiver transparenter Keramik in optischen und lichttechnischen Systemen bietet großes Potenzial für innovative Anwendungen, neue Produkte, bessere Leistung und höhere Effizienz sowie Langzeitstabilität. Die Anzahl der Beispiele für die erfolgreiche Einbindung transparenter Keramikkomponenten in Optik und Beleuchtung ist in den letzten Jahren stark gestiegen und wird laut aktuellen Marktprognosen weiter anwachsen.

Pulversynthese und neue Konzepte

Die Anforderungen an die Pulver zur Herstellung transparenter Keramiken sind enorm. Die Pulver müssen eine besonders hohe Reinheit aufweisen, phasenrein sein und über möglichst enge Partikelgrößenverteilung sowie ausgeprägte Sinteraktivität verfügen. Wenn diese anspruchsvollen Bedingungen an die Rohstoffe nicht durch kommerziell verfügbare Pulver abgedeckt werden können, stehen dem FGK verschiedene Syntheseverfahren zur Verfügung, um maßgeschneiderte Pulver zu entwickeln

und herzustellen. Hierzu zählt neben der klassischen Feststoffsynthese auch die nasschemische Fällungssynthese. Vor allem bei Materialien, die im späteren Prozess in eine transparente Keramik überführt werden sollen, ist die Qualität der Pulver und damit deren Aufbereitung beziehungsweise Synthese von entscheidender Bedeutung. Der Einsatz eines Mikro-Jet-Reaktors ermöglicht die Fällung über das sogenannte double-strike-Verfahren im Technikumsmaßstab, wobei zwei Pumpen die jeweiligen Reaktanden unter hohem Druck durch zwei Eingangsdüsen mit Durchmessern von 100-300 µm in den Reaktor fördern. Die Lösungen werden zu feinen Tröpfchen versprüht, die wiederum mit hoher Geschwindigkeit im Reaktorraum aufeinanderprallen.

Abbildung 1: 2 x 2mm große Bauteile aus ZrO2 nach den einzelnen keramischen Fertigungsschritten

Die dabei hervorgerufenen Scherkräfte vermischen die Reaktanden in weniger als 0,1 ms und sind daher um den Faktor 1000 kleiner als im Rührreaktor. So können Ausgangsmaterialen im Submikrobereich hergestellt werden, was unter anderem die Herstellung transluzenter Keramiken aus nichtkubischen Materialien ermöglicht (z. B. Eu:YVO4). Besonders wenn spezielle für die Anwendungsgebiete erforderliche Dotierungen mit Seltenen Erden gefordert sind, um eine einwandfreie Funktionalität und hohe Leistungsausbeute zu erzielen, müssen Wirtsgitter und Dotanden aufeinander abgestimmt und Prozessparameter genau evaluiert werden. Hierbei wird im Labor und Technikum des FGK eine Optimierung der Pulversynthese mit einer umfangreichen Pulvercharakterisierung durchgeführt, auch mit dem Ziel, die Pulver für keramische Prozesse anzupassen. Ein Best-Practice-Beispiel geht aus einem Projekt hervor, bei dem in Kooperation mit Partnern aus Industrie und Hochschulsektor aus einem innovativen Eu3+ dotierten Leuchtstoff eine neuartige lumineszierende Kompositkeramik entwickelt wurde. Mit diesem Materialsystem können zielgenau verschiedene Bereiche im warmweißen Farbraum abgebildet und ein höherer Farbwiedergabeindex (englisch Colour Rendering Index, CRI) erreicht werden [1]. Eine weitere Besonderheit ist die Tatsache, dass keine passive Matrix, wie üblicherweise Silikon, zum Einsatz kommt, sondern ein niedrigschmelzender anorganischer lumineszierender Leuchtstoff die Matrix für einen hochschmelzenden anorganischen Leuchtstoff bildet.

Abbildung 2: Aufweitung des Laserstrahls durch Multilense-Array aus Glas (a) und Mulitlense-Array aus transparentem ZrO2 (b)

Damit kommt erstmals eine Kompositkeramik im Rahmen des Solid-State Lighting (kurz SSL) Konzepts zum Einsatz. Das SSL Konzept wird durch die Kombinationsmöglichkeit verschiedener Leuchtstoffe wesentlich flexibler in der Wahl des emittierenden Farbwertes und weist eine höhere Quantenausbeute und höhere thermische Stabilität auf, als die in Silikon eingebetteten Leuchtstoffe.

Maßgeschneiderte Formgebungsverfahren

In aktuellen Projekten konnten transparente Keramiken besonders erfolgreich mittels thermoplastischer Formgebung in verschiedenen Varianten hergestellt werden. Hierbei gelang es, relativ hohe Füllgrade und homogene Partikelpackungen zu realisieren, wie sie für ein keramisches Bauteil mit hoher Transparenz erforderlich sind [2]. In mehreren Projekten wurde das Niederdruckspritzgießverfahren in verschiedenen Varianten für die Herstellung von transparentem ZrO2 weiterentwickelt. Diese Arbeiten wurden in Kooperation mit der Tosoh Corporation durchgeführt, die den kubisch vollstabilisierten ZrO2-Rohstoff für die Versuchsreihen zur Verfügung stellte. Spezielle optische Anwendungen erfordern spezielle Geometrien, die durch spezielle Formgebungsverfahren realisiert werden können. So wurde für die Fertigung großer Stückzahlen kleiner Bauteile für beispielsweise die Beleuchtungsindustrie ein Niederdruckspritzgießverfahren [3] entwickelt. Eine thermoplastische Masse wird hierbei in eine flexible Matrix eingebracht und kann nach dem Aushärten einfach und schnell entformt werden. Durch das kostengünstige Formenmaterial ist eine hohe Flexibilität gegeben. Ebenso verfügt das Verfahren über ein hohes Automatisierungspotenzial für die Fertigung. Bild 1 zeigt hier die 2 x 2 mm großen Bauteile nach den einzelnen keramischen Fertigungsschritten. Eine Weiterentwicklung dieses Verfahrens ermöglicht die Herstellung komplexer optischer Linsen (wie z. B. Fresnel-Linsen) im thermoplastischen Prozess. Durch dieses Verfahren können transparente keramische Bauteile mit komplexen Geometrien kostengünstig für optische Anwendungen hergestellt werden. In einer Zusammenarbeit mit der FH Kaiserslautern wurde die Herstellung von Multi-Lense-Arrays aus transparentem ZrO2 mittels Niederdruckspritzgussverfahren entwickelt. Bild 2 zeigt dabei, dass obwohl das Linsenarray aus ZrO2 nicht absolut klar ist (siehe Bild 3), der Laserstrahl bei genügend großer Intensität wie gewünscht aufgeweitet werden kann. Im direkten Vergleich zur Masterstruktur aus Glas war die Vergrößerung des optischen Mikrobauteils aus transparenter ZrO2 Keramik um 36 % größer. Mögliche Anwendungen sind optische Linsen für Digitalkameras, Smartphones oder Mikroprojektoren. Mikrobauteile aus hochbrechenden transparenten Keramiken sind auch für die Abbildungsoptik ultradünner Mikroskope und für optische Leichtbaukameras zur Anfertigung von multispektralen Bildaufnahmen[4] geeignet.

Abbildung 3: Detailaufnahme eines Multilense-Arrays aus transparentem ZrO2

Literaturhinweise

[1] Van de Haar, Marie Anne, Jan Werner, Nadja Kratz, Tom Hilgerink, Mohamed Tachikirt, Jürgen Honold, and Michael R. Krames: Increasing the effective absorption of Eu3+-doped luminescent materials towards practical light emitting diodes for illumination applications. Applied physics Letters 112, no. 13 (2018): 132101.

[2] DE 10 2017 104 166 A1 (2018) – M. Zwick, J. Werner: Verfahren zum Fertigen von hochdichten und defektarmen gesinterten Bauteilen, transparentes Keramikbauteil und Verwendung eines solchen

[3] DE 10 2017 104 168 A1 (2018) – M. Zwick, J. Werner, N. Kratz, S. Vetter: Method for manufacturing of small sintered parts, mould and sintered part

[4] Kompaktes Mikrooptisches System für Multispektrale Bildaufnahmen: Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF

 

1 Projektleiterin Optokeramik, FGK – Forschungsinstitut für Anorganische Werkstoffe -Glas/Keramik- GmbH

2 Wissenschaftlicher Leiter, Arbeitsgruppenleiter Optokeramik und Photokatalyse, FGK – Forschungsinstitut für Anorganische Werkstoffe -Glas/Keramik- GmbH

 

Download des Artikels: 

Prozessentwicklung für optische und lumineszierende Keramiken – Keramische Zeitschrift